Marcos und die Folgen

36 Jahre nach  dem Ende der Diktatur seines Vaters übernimmt MArcos Jr. die Regierung der Philippinen. Der neue Präsident wurde am 9. Mai gewählt – sehr zum Entsetzen der damaligen Opfer. Pater Josef Wilfing, einer unserer Missionare auf den Philippinen gibt Einblick in Wahlkampf und Folgen.

Wir wissen, dass wir nichts wissen

Wenn etwas nach diesen Wahlen klar ist dann das, dass man wirklich nicht weiß, was der neu gewählte Präsident will. Er hat sich bezüglich seines Programms bedeckt gehalten, sodass Spekulationen Hochkonjunktur haben.

Die Wahlbeteiligung war mit über 80% sehr hoch. Unregelmäßigkeiten sind nicht unbedingt festgestellt worden. Es gibt nur Vermutunten. Ferdinand Marcos (Bongbong Marcos = BBM) hat über 30 Millionen Stimmen bekommen, das sind mehr als 50% der abgegebenen Stimmen. Mindestens die Hälfte seiner Wähler müssen Katholiken gewesen sein. Die Meinungsumfragen im Vorfeld haben etwa dieses Ergebnis vorausgesagt. Er hat im Süden mit Hilfe der „Duterte-Stimmen“ gewonnen, auch wenn sich der Präsident skeptisch über ihn äußerte. Präsident Duterte hat trotz seiner widersprüchlichen Amtsführung hohe Beliebtheitswerte. Die Tochter des Präsidenten als seine Vize-Präsidentin zu wählen, hat für den Stimmengewinn im Süden wohl den Ausschlag gegeben. Im Norden (auf der Insel Luzon) hat die Familie selbst Einfluss und wurde hier auch von anderen reichen Familien unterstützt. Dass er besonders von den Erstwählern viele Stimmen bekam, führt man darauf zurück, dass die Zeit des „Kriegsrechts“ heute von vielen als „goldene Zeit“ verherrlicht wird.

Der Wahlkampf mit seinen unliebsamen Seiteffekten kann hier nicht wiedergegeben werden – Lügen in den „Social Media“, falsche Anschuldigungen oder Unterstellungen usw. (die auch nach dem Wahlkampf nicht abgestellt werden), bisweilen auch Gewaltakte. Am meisten betroffen waren die Vizepräsidentin Leni Robredo und ihre vielen freiwilligen Unterstützer. Ein Aspekt bei Wahlveranstaltungen war, dass sich manche Kandidaten durchaus großzügig gezeigt haben. In einem Fall wird es zu einer Anklage gegen einen Senator kommen. Die Wahlaufsichtskommission hat sich in der Vorbereitung der Wahlen auch nicht als gerade vertrauenserweckend erwiesen.

Qualitäten?

Ein Großteil der Offiziellen der Kirche hat im Wahlkampf die jetzige Vizepräsidentin Leni Robredo unterstützt, wenn auch ihr Name nicht offen genannt werden konnte, so hat man immerwieder auf moralische Qualitäten verwiesen hat, die ein Präsident haben solle, die aber bei BBM immer als Mangel erscheinen bei Robredo selbst aber als Qualität. Robredo hatte keine Macht hinter sich und stammt auch nicht aus einer der reichen Familien. Ihr Wahlkampf war mehr eine Bewegung von Menschen, die politisch denken. Sie hatte auch als einzige ein Gesamtprogramm für ihre Amtszeit vorgestellt. Aber weder ihre moralische Integrität, noch ihre Führungsqualität, noch ihr Programm, noch die breite Unterstützung durch viele, haben letztlich für den Gewinn gereicht. Das hätte wohl eine starke Veränderung der politischen Landschaft mit sich gebracht. Es gab auch eine Gruppe „Katholiken für Leni“, in der auch einige unserer Schwestern aktiv waren.

Was spricht für Marcos? Vor allem, dass er aus einer einflussreichen Familie kommt und dass ihn viele einflussreiche Familien dieser Art mit allem unterstützen, und dass er ein Mann ist, dass er gutes Team hinter sich hat, das ihm sagt, was er tun und sagen soll, und vor allem wo er hingehen und wo er nicht hingehen soll. Sein Schlagwort „Einheit“ bedeutet aus meiner Sicht einfach: Fragt mich weder zum Reichtum meiner Familie, noch zu den nicht bezahlten Steuern, noch zu anderen unangenehmen Dingen. Irgendwelche besonderen Qualitäten, die ihn zu einer leitenden Persönlichkeit werden lassen könnten, sind bei ihm nicht festgestellt worden.

Der Sohn eines Diktators ist nicht notwendigerweise auch selbst ein Diktator

Er sei ein „schwacher Führer“ sagte der jetzige Präsident einmal über ihn. Die große Frage ist also: Wer wird in der neuen Regierung führen? BBM wird das Gesicht der neuen Regierung sein. Jetzt kommt es darauf an, wer seine Berater (erstens) und wer die zuständigen Minister (zweitens) sein werden. (Eine neue Nachricht sagt, dass er nach den besten Leuten unabhängig von ihrer politischen Farbe suchen würde.) Es gibt eine Vermutung, die sagt, dass er den Ruf seiner Familie wieder herstellen wird wollen. Das könnte bedeuten, dass er in der Regierungszeit nicht die Fehler seines Vaters wiederholen wird wollen. Aber vielleicht bedeutet das auch: Bestattung seines Vaters in einem Ehrengrab auf dem Heldenfriedhof? (Man hat bis in die Schulbücher hinein Sorge getragen, dass diese Zeit als „goldene Ära“ erscheint.) Beendigung der etwa 190 Strafverfahren gegen seine Familie? Amnestierung seiner Mutter, die schon verurteilt wurde, aber die Strafe noch nicht abgesessen hat? Aufhebung der Steuerforderungen des Staates gegen ihn selbst und seine Familie? Anerkennung von Besitztümern aus der Zeit des Kriegsrechts als „wohlerworben“ und nicht auf illegalem Weg? Die Mehrzahl der Höchstrichter ist bereits durch Präsident Duterte eingesetzt. Wenn er es bis dahin schafft, dann wird man schon eine gute Begründung für verschiedene Straffreiheiten finden – dazu studiert man ja schlussendlich Jura. Die Sache für das Land werden die Minister regeln sollen. Was man positiv erwarten kann, ist, dass er nicht die rüde Sprechweise seines Vorgängers pflegen wird. Zu erhoffen ist auch, dass er den Kampf gegen den Drogenhandel mit weniger Brutalität als der jetzige Präsident gestalten wird. In der Außenpolitik wird er wohl zwischen China und den USA schwanken, obwohl er eine gewisse Schwäche China gegenüber zeigt. Viele haben sich auf grund von Erfahrungen eine gewisse Skepsis BBM gegenüber bewahrt. Aber jeder soll seine Chance haben.

Für uns wird sich erst einmal nichts ändern

Er hat nichts Besonderes gegen die Kirche, auch wenn die Kirche stark an der Absetzung seines Vaters beteiligt war. Früher hatte man dazu auch „Rosenkranzrevolution“ zur Bewegung, die zum Sturz des Diktators Marcos führte, gesagt. Das ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Er wird die Arbeit der Kirche kaum fördern aber auch nicht einschränken, dazu ist die Kirche zu stark. Auch seine katholischen Unterstützer werden keine Aktionen gegen die Kirche dulden. Für uns wird sich so gesehen vorerst nichts ändern.

©Josef Wilfing

 

DER  AUTOR

Pater Josef Wilfing
ist Salvatorianer und Missionar auf den Philippinen

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