Zentrum gegen Gewalt

Jedes dritte Mädchen unter 18 wird in Tansania Opfer sexuellen Missbrauchs – am häufigsten im familiären Umfeld. Oft werden die Täter geschützt – auch weil die Opfer häufig gar nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Im One Stop Health Center der Salvatorianer finden sie Hilfe in allen Bereichen.

Virginia Nzamwita macht sich Notizen in ihrem Block. Vor ihr sitzt Alika* und streichelt über die kleine Wölbung ihres Bauches. Alika ist 13 Jahre alt und im siebten Monat schwanger. Der Vater des Kindes ist ein Unbekannter mit Motorrad-Taxi. Weit über 20 ist er, als er das minderjährige Kind sexuell missbraucht. Für Virginia Nzamwita ist Alika kein Einzelfall. Sie arbeitet als Psychologin im One Stop Health Center (OSHC), einem Zentrum für Missbrauchsopfer in Morogoro, Tansania. „Die Opfer sind meistens zwischen 6 und 12 Jahre. Oft werden die Kinder im häuslichen Umfeld missbraucht. Häufig sind es aber auch die Motorradfahrer, die die Kinder zur Schule bringen“, erzählt sie.

Eine einzige Anlaufstelle für die Opfer

Virginia Nzamwita ist nicht allein im OSHC: Auch eine Sozialarbeiterin, Anwälte, Ärzte und ein Vertreter der Polizei arbeiten vor Ort. Diese Vernetzung der verschiedenen Bereiche ist auch das Besondere, dem die Station ihren Namen verdankt: Sie ist ein Stopp für die Opfer, eine einzige Anlaufstelle für alle Belange im Fall eines Missbrauchs. Das soll es den Tätern schwerer und den Opfern leichter machen: Ein Spießrutenlauf durch Stationen und Bürokratie führte früher häufig dazu, dass die Opfer aufgaben oder das Vergehen erst gar nicht meldeten. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind oft schon lange in der Notlage. Dank der Behandlung erleben sie endlich eine Veränderung ins Positive“, resümiert Virginia Nzamwita.

Ein Netzwerk an Hilfszentren

Das OSHC ist nicht das erste derartige Zentrum. Seit den 70er Jahren haben sich weltweit ähnliche Einrichtungen für den Opferschutz entwickelt. SART in den USA, SARC in England, CASA in Australien und die OSHC in Afrika und Asien – sie heißen überall anders, aber das Grundprinzip bleibt gleich. Auch in Tansania gibt es derzeit 20 weitere Stationen. Das Zentrum in Morogoro aber ist das erste im Land, das nicht an eine Klinik angeschlossen ist, sondern an eine Universität. Und das hat einen guten Grund. Das Jordan University College (JUCO) der Salvatorianer war der Ausgangspunkt für alle Planungen.

Salvatorianer im Kampf gegen den altäglichen Missbrauch

Am Rechts- und Psychologieinstitut der JUCO förderten vor einigen Monaten Umfragen der Studenten die dramatische Lage in der Region zu Tage: „Bei Umfragen haben wir festgestellt, dass der Missbrauch hier zum Alltag gehört und das größte Problem ist, dass die Opfer nicht wissen, an welche Stelle sie sich wenden sollen“, erzählt uns Virginia Nzamwita. Studenten und Professoren werden aktiv, treten in Kontakt mit Regierungsstellen, Polizei und SOFIA, unserem Projektbüro in Rom. Eine Studie wird in Auftrag gegeben und das Ergebnis ist erschreckend: Mehr als 60% der Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde erleben Gewalt – ob emotional, körperlich oder sexuell. Die Dunkelziffer ist hoch. Allen ist klar, es muss dringend etwas getan werden: Am Ende aller Mühen und dank großzügiger Spenden steht das OSHC.

Unsere Nummer ist bekannt

Im Dezember 2021 fand die Eröffnung statt. Aber bereits ab September liefen intensivste Vorbereitungen. Es gab Schulungen und Workshops für 300 Lehrer, 1500 Studenten und wichtige Gemeindemitglieder, damit Missbrauch erkannt und die richtigen Schritte eingeleitet werden können. In zahlreichen Medienberichten wurde die Einrichtung und ihre Leistungen in der breiten Bevölkerung bekannt gemacht. Der Startschuss war erfolgreich: „Unsere Telefonnummer ist sehr bekannt vor allem unter Lehrern und Pädagogen“, berichtet Virginia Nzamwita. „Oft entsteht der erste Kontakt durch einen Anruf.“ Aber man hält auch intensiven Kontakt zu Grundschulen und Kliniken in der Region.

Erfolge sichern durch Prävention

Das Netzwerk ist wichtig, denn „besonders bei Missbrauchssituationen in Familien wird vieles verschwiegen und kommt vieles nicht an die Öffentlichkeit. Missbrauch ist für viele eine peinliche Situation, so dass die Täter geschützt und die Opfer versteckt werden“, seufzt Virginia Nzamwita. Das Thema Missbrauch muss daher auf die Tagesordnung. In den verschiedenen Stadtteilen stehen dafür mehr als 400 Ansprechpartner bereit. Sie wurden speziell geschult und für den Einsatz ausgewählt und sollen auch Einfluss auf die Familien nehmen, denn Gewalt gilt oft noch als gängige Erziehungsmethode. Auch an den Schulen will man das Bewusstsein schärfen. Dort sollen regelmäßig ältere Schüler eingesetzt werden, die Jüngere und Altersgenossen mit den eigenen Rechten vertraut machen. 6000 von ihnen werden von Studenten der JUCO für diesen Einsatz trainiert. Um Korruption zu verhindern und die Erfolge zu sichern, gibt es strenge Auflagen und eine Kommission, die jährlich die Einhaltung und Arbeit des OSHC überprüft. Prävention also in allen Bereichen.

Mehr als 1.000 missbrauchte Kinder und Jugendliche werden jährlich im OSHC Hilfe finden. Doch die große Hoffnung ist, dass die Aufklärungsarbeit in den kommenden Jahren die Hilfe immer weniger nötig macht.

Unser Projekt in Bildern

Aktiv für Kinder in Not

Viele Kinder weltweit werdenvernachlässigt oder erfahren Gewalt. Wir helfen überall dort,wo Kinder Schutz brauchen.
Helfen auch Sie mit Ihrer Spende für den Kinderschutz!

Vorsorge und Sichere Geburt

in Tansania

€ 31

Psychologische Betreuung für 1 Kind

in Kolumbien

€ 48

Mit Ihrer Spende verhindern Sie vielerorts Gewalt und stoßen gesellschaftliche Veränderungen an. Jeder Euro hilft und schafft Zukunft.